Hannover. Es ist der 5. November 2021. Ein Mann namens Fritz Meinecke schafft das, was in der Szene deutscher Youtube-Stars sonst kaum jemand schafft – außer vielleicht Rezo, wenn dieser mal wieder die CDU „zerstört“. Innerhalb nur eines Wochenendes erreicht der Staffelstart seiner Survivalshow „7 vs. Wild“ satte 4,5 Millionen Aufrufe. Das sind mehr Klicks als das Dschungelcamp Zuschauerinnen und Zuschauer hat – und auch für deutsche Youtube-Verhältnisse sind das außergewöhnlich hohe Zahlen.
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Der Hype fängt damit aber erst an: Auf der Plattform Youtube wird intensiv über das Format debattiert, viel kommentiert und vielfach auf die Videos reagiert. 40.000 Kommentare finden sich zum Teil unter den Episoden. Der erste Teil der zweiten Staffel erreicht mit der Zeit zehn Millionen Aufrufe, Folge zwei schafft es sogar auf 13 Millionen. Die Idee des Formats: Sieben Menschen sollen an einem verlassenen Ort möglichst lange auf eigene Faust und ohne fremde Hilfe überleben.
Auch andere Videomacherinnen und -macher springen auf den Hype auf: Meineckes Kollege Dave Henrichs produziert ein millionenfach geklicktes „Behind the scenes“-Format zur Show, andere veranstalten ihre eigenen kleinen „7 vs. Wild“-Wettbewerbe im Wald. Große Streamer wie Montanablack oder Trymacs kommentieren jede Folgen der Survivalsendung in eigenen Reaktionsvideos – auch diese erreichen zum Teil mehr als eine Million Klicks.
„7 vs. Wild“ wird mit dem Start 2021 zur mit Abstand erfolgreichsten Youtube-Serie der vergangenen Jahre, zu einer wertvollen Marke, zu einem Dauerthema in Onlinemedien und zu einem vermutlich höchst lukrativen Geschäft.
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Doch nun, zum Start von Staffel drei, ist die Lage eine andere. Und es stellt sich auch die Frage nach der Zukunft des Formats.
Wechsel zu Amazon
Seit ein paar Tagen sind die ersten drei Folgen der neuen Staffel „7 vs. Wild“ online – der ganz große Hype auf der Plattform Youtube allerdings blieb bislang aus. Grund: Erstmals sind die Folgen in diesem Jahr nicht zuerst auf der Videoplattform von Google zu sehen – sondern beim Streamingdienst Amazon Freevee, dem kostenlosen und werbefinanzierten Ableger von Amazon Prime Video. Die Veröffentlichung auf Youtube folgt erst einen ganzen Monat später, Ende November.
Wie es zu dieser Entscheidung kam, darüber lässt sich viel spekulieren. Die offizielle PR-Erzählung von Meinecke und dem Streamingdienst geht so: Eigentlich hätte es gar keine dritte Staffel „7 vs. Wild“ geben sollen – zu hoch sei der Aufwand, zu hoch die Kosten für dieses Format gewesen. Amazon habe die Survivalshow mehr oder weniger gerettet, so die Erzählung: Allein durch die Partnerschaft mit dem Streamingdienst habe man das Format, das bislang in Eigenregie produziert wurde, weiterführen können.
Ob das die ganze Wahrheit ist? „7 vs. Wild“ dürfte mit seinen millionenfachen Abrufzahlen und Werbepartnern auch schon bei Youtube ein mehr als lukratives Geschäft gewesen sein. Vieles spricht dafür, dass der Deal mit Amazon aber noch um einiges üppiger ausfallen dürfte. Mit der Ausstrahlung beim Steamingdienst sicherte sich auch der Verleiher Quintus Studios die Rechte an der Sendung – er soll das Format auf dem internationalen Markt bekannt machen. Wird das Format auch im Ausland erfolgreich, dürfte bei den Erfindern der Sendung erst richtig die Kasse klingeln.
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Für Fans des Formats allerdings hat dieser Schritt größere Folgen, als es zunächst vielleicht scheinen mag. Die Community nämlich, die sonst für Youtuberinnen, Youtuber und ihre Formate einen enormen Stellenwert hat, ist mit dem Wechsel zu Amazon in vielerlei Hinsicht außen vor.
Ein Grund ist technischer Natur: Anders als Youtube bietet die Amazon-Plattform keine direkte Möglichkeit der Interaktion. Zwar gibt es die von Amazon bekannte (und sehr versteckte) Funktion der Kundenbewertung – vergleichbar mit einem Kommentarbereich ist diese aber nicht. Für Zuschauerinnen und Zuschauer ist es also kaum möglich, sich unter Videos angemessen über die jeweilige Folge auszutauschen.
Sascha Huber und Knossi sind die Stars der aktuellen Staffel „7 vs. Wild“.
© Quelle: Amazon Freevee
Das ist für Produktionen von Streamingdiensten nichts Ungewöhnliches – für das „7 vs. Wild“-Publikum, das interaktive Plattformen wie Youtube und Twitch gewohnt ist, ändert sich die Art des Videokonsum damit aber grundlegend. Das Publikum, das sich stets auch mit eigenen Beiträgen, Lob, Kritik, Gags und Memes am Format beteiligen konnte, ist diesmal nahezu stummgeschaltet. Es fehlt die zweite Ebene des kollektiven öffentlichen Austauschs, die Diskussion mit Gleichgesinnten, ein Trendbarometer – und gleichzeitig die gefühlte Nähe zu den Machern.
Fans wollen lieber warten
Ungewöhnlich ist das auch deshalb, weil die Community – wie generell auf Youtube – für „7 vs. Wild“ stets ein wichtiges Marketinginstrument war. Immer wieder wird zumindest suggeriert, die Meinung des Publikums habe auch eine gewisse Strahlkraft auf Entscheidungen, etwa das Spielprinzip oder die Auswahl von Teilnehmenden. Erfinder Fritz Meinecke veranstaltete immer wieder erklärende Livestreams zur Show und ging – mal mehr, mal weniger souverän – auf Kritik und Wünsche seiner Community ein.
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Der Wechsel zu Amazon scheint viele Fans daher massiv zu stören. Nicht wenige riefen vor dem Start der dritten Staffel dazu auf, die Premiere bei Freevee schlichtweg zu ignorieren. Das Format sei so einfach nicht dasselbe, heißt es in einigen Kommentaren auf der Plattform X, vormals Twitter. „7 vs. Wild bockt einfach gar nicht, wenn es nicht auf Youtube läuft“, kommentiert hier einer.
Einfach auf die Youtube-Ausstrahlung Ende November zu warten, ist aber auch keine Option: Der Hype sei dann einfach vorbei, glaubt ein X-Kommentator. Unter dem ersten „Behind the Scenes“-Video, das weiterhin auf Youtube veröffentlicht wird, machen sich Trolle bereits den Spaß, echte oder gefälschte Spoiler zu posten, um Wartenden den Spaß an der Show zu nehmen.
„Reaction“-Videos vorerst verboten
Das zweite Problem, das die Ausstrahlung bei Amazon mit sich bringt, trifft nicht nur die Community – sondern auch Meineckes Youtube-Kolleginnen und Kollegen. Bislang lebte das Format auch von den zahlreichen Reaktionsvideos bekannter Streamerinnen oder Streamer. Fans hatten also nicht nur die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen – sie bekamen auch noch die Einschätzungen all ihrer Lieblingsinfluencerinnen und -influencer dazu. Auch das fällt mit dem Wechsel zu Amazon vorerst weg.
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Bei sogenannten Reactions, einem ganz eigenen Genre auf Twitch und Youtube, spielen Videomacherinnen und -macher fremde Inhalte ab und kommentieren diese auf ihre ganz eigene Art und Weise. Das ist nicht unumstritten: Urheber erhalten durch Reaktionsvideos kein Geld durch Werbeeinnahmen – im Gegensatz zu den Reagierenden, die damit vergleichsweise wenig Arbeit haben. Auch rechtlich sind Reactions in vielen Fällen nicht erlaubt. Geduldet werden sie auf Youtube meist trotzdem – es herrscht eine Art Konsens in der Szene.
Dieser Konsens wird mit „7 vs. Wild“ nun abgeschafft. Reaktionsvideos zur Show sind zwar erlaubt – aber erst dann, wenn die Folgen auf Youtube veröffentlicht wurden. Das bedeutet: Streamerinnen und Streamer dürfen nicht auf die Freevee-Premieren reagieren, sondern müssen einen ganzen Monat bis Ende November warten.
Youtuber bekommt Verwarnung wegen Urheberrechtsverletzung
Verkündet wurde diese Regelung von „7 vs. Wild“-Erfinder Fritz Meinecke höchstpersönlich. Dieser betreibt mit seinem Kanal „Fritz Meinecke – Live“ selbst einen Reaktionskanal mit 1,09 Millionen Followerinnen und Followern, der ihm in den vergangenen Jahren nicht nur viel Youtube-Ruhm, sondern vermutlich auch viel Geld eingebracht haben dürfte – und das mit allerlei Fremdinhalten. Bei seinem eigenen Format ist genau das nun aber nicht mehr erwünscht.
Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund auch, wie restriktiv die neue Regel offenbar umgesetzt wird. Ein Youtuber namens Hallöchen beklagt in einem Video, er habe gar einen Copyright-Strike für das Hochladen einer Reaktion erhalten. Dabei handelt es sich um eine besonders scharfe Maßnahme gegen Urheberrechtsverstöße auf Youtube: Erhält man innerhalb kurzer Zeit drei solcher Strikes, wird der eigene Youtube-Kanal gesperrt.
Verantwortlich für die Durchsetzung dieser Maßnahmen ist nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) nicht etwa Amazon, sondern die Produktionsfirma der Survivalshow. Die Auswertungsrechte auf Youtube liegen beim Lizenzgeber und Copyright-Inhaber, der Calivision Network GmbH. Dazu zählt auch die Bewertung von möglichen Copyrightverstößen. Nach der öffentlichen Beschwerde des Youtubers Hallöchen nahmen die Verantwortlichen den Copyright-Strike aber offenbar zurück.
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Zahlreiche Beschwerden von Streamern
In der Youtube-Szene, die sonst ihren ganz eigenen, laxen Umgang mit Urheberrechten pflegt, sorgt das verständlicherweise für Unmut. Streamer Kevin Teller alias Papaplatte, der zugleich Teilnehmer der dritten Staffel „7 vs. Wild“ ist, erklärte in einem Stream: „Für uns Youtuber und Streamer, die da mitgemacht haben, ist es halt super schade. (…) Wir haben da ja (…) auch mitgemacht, weil wir darauf reacten wollen.“ Mit einem Reaction-Video zahle sich die Teilnahme an dem Format finanziell aus. Geld habe man als Teilnehmer schließlich nicht bekommen.
Streamer Papaplatte und sein Kollege Reeze nehmen an „7 vs. Wild“ teil.
© Quelle: Amazon Freevee
Von der neuen Regelung wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer offensichtlich überrascht. Er könne verstehen, wenn die Folgen eine oder zwei Wochen exklusiv beim Streamingdienst laufen würde, sagt Teller – aber ein ganzer Monat sei zu lang. Das habe auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern „niemand gesagt“. Nun müsse man acht Folgen warten, bis man auf die erste Folge der neuen Staffel reagieren könne – bis dahin sei das Spoilerpotenzial enorm. Zudem sei unklar, ob sich dann noch jemand für die Reaktion interessiere.
Kandidat Knossi erklärte in einem Video, er hätte es „gut gefunden“, wenn wenigstens die teilnehmenden Kandidatinnen und Kandidaten in ihren Livestreams auf die Freevee-Ausstrahlung hätten reagieren dürfen. Aber auch das sei ihnen verwehrt worden. Teilnehmer Sascha Huber erklärte in einem Video, er werde sich die neuen Folgen nicht auf Freevee anschauen, sondern auf die Ausstrahlung bei Youtube warten. Er wolle die Sendung lieber gemeinsam mit seiner Community erleben.
Ist „7 vs. Wild“ noch erfolgreich?
Unklar ist, inwiefern all das dem Format „7 vs. Wild“ schadet. Das Unternehmen Amazon erklärte am Dienstag gegenüber dem RND, der Start der neuen Staffel sei der „erfolgreichste Start bei Amazon Freevee in Deutschland und Österreich“ gewesen. In den ersten 48 Stunden habe die erste Folge zwei Millionen Streams generiert. Das ist sicherlich eine beachtliche Zahl – jedoch gerade einmal halb so viel wie die Youtube-Premiere der zweiten Staffel vor einem Jahr.
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Spürbar ist auch, dass die Entscheidungen dem Format einen großen Teil seines Hypes nehmen. Durch die fehlenden Reaktionsvideos und Interaktionsmöglichkeiten fehlt auch das Grundrauschen, der Gossip. Auf der Plattform X (vormals Twitter), die im vergangenen Jahr von „7 vs. Wild“-Memes nur so geflutet wurde, finden sich zwar Wortbeiträge zur Show – im Vergleich zum Vorjahr scheinen die Reaktionen aber eher verhalten. Das erste „Behind the scenes“-Video zur neuen Staffel immerhin wurde bereits 1,7 Millionen Mal angesehen. Hier findet sich in rund 3000 Kommentaren auch viel Lob für die dritte Staffel der Show.
Dass die Community mit den Entscheidungen nicht ganz glücklich ist, scheint aber auch „7 vs. Wild“-Erfinder Fritz Meinecke zu bemerken. Der versuchte sich in den vergangenen Tagen spürbar an Schadensbegrenzung. In einem Statement-Video auf seinem Youtube-Kanal erklärte Meinecke, er sei in diesem Jahr eher als Kandidat dabei gewesen und weniger als Organisator. Die Verantwortung für das Format liege also inzwischen woanders – er habe viele Entscheidungen abgegeben. Das Produktionsteam um „7 vs. Wild“ hat auf eine Anfrage des RND nicht reagiert.
Author: Nancy Valentine
Last Updated: 1703708282
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