Die Pleite der Silicon Valley Bank sorgt für Verunsicherung in der Finanzwelt. Ist es nur ein einmaliger Unfall oder Auftakt einer Krise? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die Pleite der Silicon Valley Bank sorgte für ein Beben der weltweiten Finanzbranche. | Foto: IMAGO / UPI Photo
Was für einen Unterschied 48 Stunden machen können. Noch am Mittwoch vergangener Woche war die Silicon Valley Bank (SVB) ein solides Finanzinstitut, welches sich um eine Kapitalerhöhung bemühte. Zwei Tage später war die Bank bereits Geschichte, dicht gemacht von den US-amerikanischen Aufsichtsbehörden. Es war die größten Bankenpleite in den USA seit der Finanzkrise im Jahr 2008 und die zweitgrößte überhaupt.
Nur: Wie konnte es überhaupt dazu kommen? Was sind die Folgen für die Kunden der Silicon Valley Bank – und für den globalen Finanzmarkt? Und ist die SVB-Pleite nur ein einmaliger Unfall oder der erste fallende Dominostein einer weitreichenden Krise?
Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Wie groß war die Silicon Valley Bank?
Gegründet wurde die SVB im Jahr 1983, sie wurde schnell zu einem wichtigen Akteur in der Technologie- und Risikokapitalbranche. Die Silicon Valley Bank war eine Tochtergesellschaft der SVB Financial Group und unterstützte mehr als 30.000 Start-ups finanziell.
Auf der Liste der größten Banken in den Vereinigten Staaten war sie mit einem Vermögen von rund 209 Milliarden US-Dollar zum 31. Dezember 202 auf Rang 16. Der Marktanteil im Silicon Valley, dem Herz der US-Techbranche, betrug 25,9 Prozent. Damit war sie die wichtigste Bank der Branche.
Warum ging die Silicon Valley Bank pleite?
Die Silicon Valley Bank war eng verflochten mit den Gründern und Gründerinnen der US-amerikanischen Tech-Branche. Diese wurden in den vergangenen Jahren regelrecht mit Geld geflutet, alle voran in der Corona-Pandemie 2020 und 2021. Dementsprechend wuchsen die Einlagen der Bank, sie stiegen im Jahr 2021 um 86 Prozent auf 189 Milliarden US-Dollar. Ein Quartal später erreichten sie mit 198 Milliarden US-Dollar ihren Höchststand.
Die Kreditvergabe stieg jedoch nicht in gleichem Maße. Das Management der Silicon Valley Bank machte daraufhin eine folgenschwere (Fehl)Entscheidung: Das Geld wurde vor allem in sicher geltende US-Staatsanleihen und andere staatlich geförderte Schuldtitel investiert. Zum Absturz führte also letztlich der Wunsch, Risiken zu vermeiden.
Denn die steigenden Zinsen führten zu sinkenden Anleihekursen. Und plötzlich waren die für viele Milliarden US-Dollar erworbenen, vormals als „sicher“ geltenden Anleihen in einigen Fällen mehr als 20 Prozent weniger wert. Dieser Buchverlust ist kein Problem, solange er nicht realisiert wird.
Durch die angespannte Wirtschaftslage in der Tech- und Digitalbranche standen viele Tech-Unternehmen jedoch unter großem Druck und mussten zunehmend auf ihr Erspartes zurückgreifen, um etwa weiter Löhne auszahlen zu können. In der Folge blieb der SVB nichts anderes übrig, als Anleihe-Positionen zu verkaufen. Die Bank musste Anleihen im Wert von 21 Milliarden US-Dollar verkaufen, was zu einem Verlust von 1,8 Milliarden Dollar führte. Um an frisches Geld zur Auszahlung der Kundeneinlagen zu kommen, kündigte die Bank eine Kapitalerhöhung an, die jedoch scheiterte.
Es kamen zunehmend Zweifel an der Liquidität der Bank auf, befeuert unter anderem vom Großinvestor Peter Thiel. Er riet zum Abzug von Einlagen bei der SVB, es kam zu einem Bank Run. Auch andere prominente Fonds wie Union Square Ventures und Coatue Management schickten E-Mails an Startups, in denen sie diese anwiesen, ihre Gelder aus der SVB abzuziehen.
Allein am 9. März 2023 versuchten SVB-Kunden 42 Milliarden US-Dollar abzuheben, wie die kalifornische Aufsichtsbehörde mitteilte. Das entsprach rund einem Viertel der gesamten Einlagen der Bank. Bei Geschäftsschluss an diesem Tag wies die SVB ein negatives Barguthaben von 958 Millionen US-Dollar auf und konnte nicht genügend Sicherheiten aus anderen Quellen beschaffen, so die Aufsichtsbehörde.
Am 10. März 2023 schloss das kalifornische Ministerium für Finanzschutz und Innovation die Bank schließlich innerhalb weniger Stunden und stellte sie unter die Kontrolle der FDIC.
"Dies war ein von Risikokapitalgesellschaften verursachter hysterischer Bank-Run", sagte Fintech-Investor Ryan Falvey gegenüber dem US-Sender CNBC. "Dies wird als einer der ultimativen Fälle in die Geschichte eingehen, in denen sich eine Branche die Nase abschneidet, um ihr Gesicht zu wahren.“
Wie geht es für die Kunden der SVB weiter?
Nach einem Wochenende voller Unklarheit schuf die US-Regierung nun Fakten: Alle Kunden der Silicon Valley Bank sollen Zugang zu ihren kompletten Guthaben erhalten. Das ist insofern bemerkenswert, weil Einlagen in den USA eigentlich nur bis zu einer Obergrenze von 250.000 US-Dollar versichert sind. Mehr als 90 Prozent der Kunden der Silicon Valley Bank hatten jedoch Einlagen, die deutlich darüber lagen.
Um Panik an den Märkten zu verhindern, wandte sich die US-Regierung in der Nacht zum Montag deutscher Zeit mit deutlichen Worten an die Öffentlichkeit: „Heute ergreifen wir entschiedene Maßnahmen, um die US-Wirtschaft zu schützen, indem wir das Vertrauen der Öffentlichkeit in unser Bankensystem stärken“, schrieben US-Finanzministerin Janet Yellen, Notenbankchef Jerome Powell und der Chef der Einlagensicherung FDIC in einer Pressemitteilung.
Weiterhin werde die US-Notenbank Fed den Banken zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung stellen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Abflüsse von Kundengeldern jederzeit gewährleistet sind.
Durch diese Maßnahmen soll verhindert werden, dass Kunden im großen Stil ihre Guthaben von anderen kleineren Banken abziehen. US-Präsident Joe Biden erklärte ebenfalls, die Menschen bräuchten sich um ihre Einlagen nicht zu sorgen.
Welche Unternehmen sind bei der SVB?
Die Silicon Valley Bank finanzierte bis zu 30.000 Start-ups. Ein großer Player etwa war der Streamingkonzern Roku, der Einlagen in Höhe von 487 Millionen US-Dollar bei der Bank hatte, wie das Streaming-Unternehmen in einer Pflichtmitteilung an die Securities and Exchange Commission (SEC) erklärte. Weitere Unternehmen sind Made.com, Etsy, Secret Escapes, Pinterest oder Trustpilot, wie die offizielle Webseite zeigt.
Sind auch deutsche Firmen betroffen?
Die Silicon Valley Bank zählte nur wenige Tausend Kunden in Europa, in Deutschland sollen es ein paar Hundert sein - unter anderem das Tourismus-Portal Getyourguide und das Start-up Codesphere (wie t3n berichtet), aber auch das Flugtaxi-Unternehmen Lilium und den Kochbox-Anbieter Hellofresh.
Wie wirkt sich SVB-Pleite auf den Dax aus?
Die deutschen Börsen starteten am Montag mit einem Minus von 2,5 Prozent. Deutlicher bergab ging es für Bankaktien. Der Kurs der Deutschen Bank gab um weitere 6 Prozent nach, das Minus auf Wochenbasis liegt damit bei fast 14 Prozent. Die Aktie der Commerzbank gab um weitere 9 Prozent nach, auf Wochensicht liegt der Rückgang ebenso bei 14 Prozent.
Wie reagiert die Bafin auf die SVB-Pleite?
Für den deutschen Ableger der Silicon Valley Bank wird „aufgrund der bestehenden Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber Gläubigern ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot erlassen“, wie die Bafin am Montag mitteilte. Der deutsche Ableger der SVB wird somit für den Verkehr mit der Kundschaft geschlossen. In der Mitteilung heißt es: „Das Moratorium gegenüber der Silicon Valley Bank Germany Branch musste angeordnet werden, um die Vermögenswerte in einem geordneten Verfahren zu sichern.“
Droht ein Risiko für andere Banken?
Ist die Pleite der SVB ein einmaliger Fall oder der Auftakt einer größeren Krise? Die Silicon Valley Bank war mit ihrem Schwerpunkt auf der Technologiebranche und dem überproportional großem Anleiheportfolio besonders exponiert. Deshalb tendieren die meisten Marktexperten zur Einschätzung, dass ein Übergreifen auf andere Geldinstitute unwahrscheinlich sei.
Allerdings beläuft sich die Summe der nicht realisierten Buchverluste mit Anleihen branchenweit auf 620 Milliarden US-Dollar, wie Martin Gruenberg, Chef der US-Einlagensicherung, bekannt gab. Somit ist es möglich, dass auch trotz der Regierungsmaßnahmen andere kleine Banken Schwierigkeiten bekommen könnten.
Und auch die Schwergewichte der Bankenwelt gerieten in den Abwärtsstrudel. Allein die vier größten US-Banken verloren am Freitag mehr als 50 Milliarden US-Dollar an Börsenwert. Die Auswirkungen lassen sich noch nicht seriös abschätzen.
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Author: Andrew Anderson
Last Updated: 1702567203
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